Zweimal im Jahr kam Tante Frieda, die Schwester meiner Mutter aus Helmstedt uns besuchen. Streckenthin war ihre Heimat, und der Vater war fast 90 Jahre! Darum dehnte sie ihren Besuch auf drei Wochen aus. Wir Kinder freuten uns sehr, denn sie brachte uns immer kleine Geschenke mit. Mein Bruder und ich holten sie dann von der 3 km entfernten Bahnstation ab, zu Fuß, aber mit einem Bollerwagen...
Der schwarze Markt
(von Ingeborg Eva Witt) Eine Begebenheit aus der Nachkriegszeit bleibt bei mir immer in Erinnerung. Es ging um die Gesundheit unserer kleinen Tochter. Sie wurde 1947 geboren. In der Zeit wurden noch Lebensmittelkarten ausgegeben. Für Säuglinge, Kleinkinder, Kinder unter 6-10 Jahren, Jugendliche, normale Bürger, Schwangere und Schwerarbeiter. Jeder dieser Personengruppe bekam die zu ihm passende...
Der 1.September 1939
(von Ingeborg Eva Witt) Die Erinnerung an den 1. September 1939 ist bei mir tief verankert. Die vielen einschneidenden Veränderungen haben mein weiteres Leben verändert. Ich wollte am 23. August 1939 meinen 20. Geburtstag ganz groß feiern. Die erste Enttäuschung, die ich dabei bekam, war die Absage von meinem Freund, der Soldat war. Er schrieb mir, dass seine Truppe auf dem Weg nach Ostpreußen...
Das Haus der vier Elemente
Ob die alte Hansestadt Stade es nun für einen Vorzug halten mag oder nicht: Ich bin dort geboren. Freilich bin ich kein Stadtkind, sondern wuchs nur innerhalb der Stadt und Gemarkungsgrenzen auf, an deren äußerstem südwestlichen Ende, wo ringsum Agrarwirtschaft betrieben wurde. Wenn ich einmal die zu einem prächtigen Laib geformte Teigmasse zum Backofen des bäuerlichen Nachbarn zu transportieren...
Brennholz für Kartoffelschalen
In den ersten Nachkriegsjahren fuhr bei uns in Berlin-Neukölln in regelmäßigen Abständen ein kleiner Dreirad-Transporter herum, ein Tempo oder Goliath, genau weiß ich das nicht mehr und sammelte Kartoffelschalen und Gemüseabfälle. Ein kräftiger Mann mit Stentorstimme krabbelte aus dem engen Führerhaus, in dem auch ein Junge saß. Der ältere ging mit einer Handglocke immer auf die Höfe und rief mit...
Blitz und Donner und die Jugendherbergen
Ottokar, Manfred und ich sind wieder einmal unterwegs. Natürlich mit unseren Fahrrädern. Wir kommen von der Insel Wangerooge. Vor drei Wochen sind wir in unsere Schulferien gestartet. Das Ruhrgebiet ist unser zu Hause. Die Fahrt in den Norden bedeutet für uns Abenteuer pur. Über Bielefeld, Hoya, Bad Zwischenahn haben wir Carolinensiel angesteuert. Übernachtet wurde jeweils in Jugendherbergen. Wir...
Blechdose und Tanne
1945 kehrten wir in eine zerbombte Stadt zurück. Wir, das waren meine Mutter und ich. Einen Vater hatte ich nicht mehr, der war 1941 in Russland gefallen. Gefallen, das klingt so als könnte man wieder aufstehen. Konnte er aber nicht. Kopf-schuss! Begraben in Isorai. Wir kehrten nicht nur in eine zerbombte Stadt zurück, sondern auch in eine halbzerbombte Wohnung. Die Schwester meiner Mutter, meine...
Ungerechte Bestrafung
(von Hans Meier) Bevor die Autobahn so Anfang der 1960er Jahre in der Quick-borner Heide gebaut wurde, und wir noch nicht Autobahn-bauvertriebene waren, wohnten wir am Ende der Habichtstraße, die vom Grandweg abgeht. Ich spielte oft mit dem Nachbarsjungen und ab und zu gab es von seinem Vater einen Bonbon. Wenn er seinen Wagen in die Garage fuhr und ausstieg, wurde er schon von uns 5...
Das merkwürdige Schlafzimmerbild
Mein Vater lebte in den Nachkriegsjahren in Berlin-Neukölln mit unserer Stiefmutter in einer ganz kleinen Hinterhof-Wohnung, die nur aus Küche, Wohnzimmer, Flur und einem schmalen, dunklen Raum bestand, in dem sich das Klo befand. Man konnte sich dort kaum drehen, deshalb spielt es in meiner Erinnerung auch kaum eine Rolle. Vater hatte mit handwerklichem Geschick aus dieser Behausung ein...
Das alte Grammophon
Als wir im Sommer 1945 aus der Neumark, wo wir seit 1943 evakuiert waren, nach Berlin-Neukölln zurückkehrten, war das Haus, in dem wir gewohnt hatten, total ausgebombt, nur noch die Fassade stand und deshalb konnte man das erst sehen, wenn man unmittelbar davor stand. Nach acht Tagen Irrfahrt durch den Südostflügel der Mark Brandenburg über Frankfurt/Oder standen wir entgeistert vor dem...
