Der Stadtbesuch

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Zweimal im Jahr kam Tante Frieda, die Schwester meiner Mutter aus Helmstedt uns besuchen. Streckenthin war ihre Heimat, und der Vater war fast 90 Jahre! Darum dehnte sie ihren Besuch auf drei Wochen aus.

Wir Kinder freuten uns sehr, denn sie brachte uns immer kleine Geschenke mit. Mein Bruder und ich holten sie dann von der 3 km entfernten Bahnstation ab, zu Fuß, aber mit einem Bollerwagen versehen, um die zwei Holzkoffer zu transportieren.

Bei uns, in dem kleinen Dorf Streckenthin, war wenig los. Es gab weder einen Arzt noch einen Kaufmann im Ort. Also gingen wir mit der Tante ganz stolz die kleine Straße entlang, damit alle anderen Kinder uns sehen konnten. Mein Bruder mit dem Bollerwagen und den Koffern voran, meine Tante und ich Händchen haltend hinterher. Mit Hut, Pelzmantel, Handtasche und Stiefeln sah sie in unseren Augen wie eine Filmschauspielerin aus.

Es war damals, etwa 1941, eine richtige Sensation!

18.06.2006

Über den Autor

Edith Kollecker

Jahrgang 1934
Facharbeiterin

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