Zeitumstellung

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Zweimal im Jahr muss die Uhrzeit umgestellt werden. Zum Beginn der Sommerzeit Ende März werden die Uhren um eine Stunde vor, zum Beginn der Winterzeit Ende Oktober eine Stunde zurückgestellt. In der Presse, im Rundfunk und im Fernsehen werden diese Ereignisse groß herausgebracht.

Der Umstellungstag Ende Oktober hat statt vierundzwanzig fünfundzwanzig Stunden, im März dagegen rechnet man den Tag nur mit dreiundzwanzig Stunden. Daraus lassen sich großartige Beiträge formulieren. Zuhörer und Zuschauer werden regelmäßig befragt, ob die Uhr nun vor oder zurück-gestellt werden muss. Die besten Antworten – es sind sehr oft die falschen – werden gedruckt und gesendet. Durch die Zeitumstellung soll das Tageslicht besser genutzt werden. Der Nutzen konnte wissenschaftlich jedoch noch nicht nachge-wiesen werden. Wahrscheinlich ist er so gering, dass er kaum messbar ist. Wir haben uns aber daran gewöhnt und beteiligen uns an dem Uhrenspiel.

Es bleibt mir also nichts anderes übrig. Wenn mir die Zeittermine nicht aus der Hand gleiten sollen, muss ich mich auch an den Umstellungsprozessen beteiligen. Ich durchwan-dere unser Haus und werde jedes Mal, wenn ich eine Uhr sehe, tätig. Bei uns werden die meisten Uhren mit Batterien betrieben. Bei diesen Uhren muss man die Zeigerabdeckungen entfernen. An den so zugänglich gemachten Zeigern kann ich dann die Zeitkorrektur vornehmen. Die Zeiger werden dann von mir sorgfältig wieder abgedeckt und die Uhren an den ange-stammten Platz zurückgestellt. Bei einigen Uhren kann ich die Sommer- und Winterzeit durch Knopfdruck einstellen. Mit diesen elektrisch betriebenen Uhren werden unsere Außen-jalousien bedient. Dennoch muss ich mir jedes Mal die Bedie-nungsanleitung durchlesen. Im Laufe der Jahre wurden die Uhren mehrfach ausgewechselt. Bei einigen Uhren genügt ein Knopfdruck, bei den neueren müssen dagegen zwei Knöpfe mehrfach gedrückt werden. Ich weiß nicht, was sich die Konstrukteure dabei gedacht haben. Die neuen Uhren haben eine Vielzahl von Funktionen, die ich aber nicht nutze. Deshalb ist ihre Bedienung auch komplizierter. Darauf könnte ich ver-zichten. Wenn es doch nur noch die alten, mechanischen Uhren geben würde. Da war ein Uhrwerk noch ein Uhrwerk und keine Platte mit Leiterbahnen und Druckschaltungen.

Wir haben in jedem Zimmer eine Uhr. So auch im Bad. Die Baduhr ist mit Saugnäpfen an der Wand befestigt. Wenn die Saugnäpfe austrocknen, fällt die Uhr auch schon mal von der Wand. Das hat ihr bisher noch nicht geschadet. Sie ist aus Plastik, das metallisch glänzt. Im Oktober vergangenen Jahres nahm ich sie von der Wand, um die Winterzeit einzustellen. Das elektronische Uhrwerk ist von vorne nicht sichtbar am hinteren Teil befestigt. Es ist ein kleiner, rechteckiger Kasten, der wohl die gesamte Technik enthält. Das Batteriefach ist leicht zugänglich. Aber ich sah kein Rädchen, mit dem man die Zeiger bewegen konnte. Der Kasten ist mit vielen Schrauben am Plastikgehäuse befestigt. Es war kein großer Aufwand, die Schrauben vom Gehäuse zu drehen. Als ich dann den Kasten vom Gehäuse löste, fielen Sekunden-, Minuten- und Stunden-zeiger von der Achse und lagen unordentlich im Uhrenfenster. Das ist ebenfalls mit Schrauben auf dem Basissystem befestigt. Ich entfernte das Uhrenfenster von seinem Fundament und hatte jetzt die Zeiger in der Hand. Die Achse, an der sie zuvor auflagen, ist fest mit dem Batteriekasten verbunden. Ich musste die Achse nur durch das Bohrloch des Ziffernblattes stecken, die Zeiger wieder auf die Achse montieren, das Uhrwerk fest mit der Grundplatte verbinden und das Uhrenfenster wieder auf die Grundplatte schrauben. Das tat ich dann auch. Ich vergaß auch nicht, die Zeiger wintergerecht zu positionieren. Die Uhr tickte und die Zeiger bewegten sich sogar.

Ich blickte stolz durch die Scheibe auf das Ziffernblatt. Und da sah ich es. Nicht übersehbar stand da in fetten Buchstaben Radio controlled. Die Uhr ist also funkgesteuert und passte sich automatisch der Zeitumstellung an. Die ganze Arbeit hätte ich mir sparen können. In den Augen meiner Frau bin ich der Größte. Dass ich die völlig auseinander genommene Uhr wieder funktionsfähig zusammenbauen konnte, rechnet sie mir hoch an. Dass ich es aber so weit habe kommen lassen, lässt sie an meinem Verstand zweifeln. Ich weiß nicht, ob die Blicke meiner Frau Bewunderung oder Mitleid ausdrücken. So lange das nicht geklärt ist, verbringe ich unruhige Tage.

Ein Mann ist schließlich nur dann ein Mann, wenn er weiß was er tut. Weiß ich, was ich tue? Warten wir es ab.

vom 21.03.2011

Über den Autor

Uwe Neveling

Jahrgang 1937
Systemanalytiker

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