Strandurlaub

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Es muss so um das Jahr 1968 gewesen sein. Wir konnten uns damals noch kein Auto leisten, waren immer auf andere Familienmitglieder angewiesen, die schon ein Auto hatten. Einer davon war mein Schwager Otto. Seine Frau Hilde war meine älteste Schwester, sie machten bei uns Urlaub und hatten uns und unsere Kinder zu einem Sylt-Strandurlaub eingeladen.

Um sechs Uhr fuhren wir gutgelaunt los, konnten auch gleich auf den Autozug in NiebüIl fahren. Die Fahrt über den Hindenburg-Damm war schon ein schönes Erlebnis. Mein Schwager fuhr gleich Richtung List. Dort haben wir uns erst einmal ein leckeres Fischbrötchen gegönnt.

Nach der Besichtigung von List – es war nichts Besonderes zu sehen – wollten wir zum Strand. Man hatte uns gesagt, wir müssten über die Dünen. Otto fuhr langsam die Straße zurück in Richtung Westerland und wir sahen einen Platz, wo schon ein paar Autos standen. Es war weit und breit keine Person zu sehen, also musste hinter dieser Düne wohl der Strand sein.

Wir begannen den Aufstieg mit viel Gepäck über die Düne. Oben angekommen sahen wir zu unserem Entsetzen, wie weit das Wasser noch entfernt war und wir mussten noch zwei kleinere Dünen überqueren. Bei den letzten Büschen wollte ich mich schon umziehen, falls am Strand keine Kabine dafür vorhanden war.

Die anderen sollten sich schon einen schönen Platz aussuchen. Als ich ankam, sah ich zu meinem Erstaunen, dass sie noch mit ihren Sachen im Arm dort standen und mich aufklärten, wo wir hier gestrandet waren: an einem Nacktbadestrand! Na und, wo ist das Problem? Gehört hatte ich schon darüber, dass man dort nur nackt baden darf, aber gesehen noch nicht. Wir ließen uns trotz leichter Bedenken dort nieder.

Ernst und Stephan zogen sich aus und liefen so schnell sie konnten ins Wasser, Martina und ich folgten mit Bikinihöschen bekleidet, denn „oben ohne“ lagen wir ja auch in unserem Garten. Auch meine Schwester hatte sich etwas entblößt, trug ihr neues Bleile-Korsett und sammelte Muscheln, das sah unmöglich aus! Nur Otto saß unter seinem viel zu kleinen Regenschirm und war abends einseitig krebsrot.

Erzählt wird immer, man sieht sich nicht die Nackten an, aber wo soll man denn sonst hin schauen? Zu Hause steht uns ja nur der eigene Mann zur Verfügung. Besonders die beiden Pärchen mit den Federbällen, alles was nicht niet und nagelfest ist, war in Bewegung. Na gut, wir haben wieder etwas dazu gelernt, aber für uns kommt das nicht in frage. Ziemlich kaputt erreichten wir wieder unser Auto und dann unseren Autozug. Da wir noch ca. 3 Stunden Fahrt vor uns hatten, suchten wir uns eine Stelle, um uns „zu erleichtern“.

Wir machten Halt auf einer Auffahrt, die zu einer Weide führte. Wir Frauen gingen weiter rein zur Pforte, dort war das Gras schon runtergetreten. In der Ferne sahen wir 6-8 Rinder ruhig grasen und ein Bulle beäugte uns kritisch. Als wir gerade saßen, galoppierte er auf uns zu, wir konnten gar nicht so schnell unsere Hosen hochziehen. Er blieb an der Pforte stehen und sah uns treuherzig an, während die anderen langsam näher kamen. Vielleicht warteten sie auf den Bauern, doch wir hatten ein ungutes und auch ein etwas nasses Gefühl.

Es war schon dunkel als wir zu Hause ankamen, nun konnten wir endlich unseren Hunger stillen.

Aber ich muss trotz allem sagen, ich finde so ein Strand-Urlaub auf Sylt wird irgendwie  überbewertet!

Über den Autor

Edith Kollecker

Jahrgang 1934
Facharbeiterin

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