Seepferdchen, Frei- und Fahrtenschwimmer

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Unser Jüngster – Jahrgang 1976 – lernte bereits mit 4 Jahren schwimmen. Nach etlichen Übungsstunden bekam er mit anderen Kindern in einer Norderstedter Schwimmschule feierlich das See-pferdchen verliehen. Ich fand das zwar sensationell, aber mit dieser Auffassung stand ich allein da, denn es gehörte zu dieser Zeit schon zu den Selbstverständlichkeiten, die man den Kindern – nach Meinung seiner Mutter – einfach zu bieten hatte!

Na gut, ich war damals in puncto Kindererziehung nicht „up to date“ und bin das heute schon gar nicht mehr, liegt vielleicht daran, dass ich noch immer kein Opa bin, denn Enkel haben wir leider auch noch nicht.

In meiner Jugend war das alles ganz anders. Noch mit 11-12 Jahren war ich unheimlich wasserscheu und schwimmen konnte ich damals natürlich auch noch nicht. Ostern 1947 bekamen mein zwei Jahre jüngerer Cousin und ich einen Schwimmkurs geschenkt. Bei erfolgreichem Bestehen winkte die Urkunde für den Frei- und Fahrtenschwimmer.

Die ersten Trockenübungen in einem Hallenschwimmbad in Berlin fand ich blöd, die anschließenden Schwimmversuche an einer langen Angel bereiteten mir dann doch ziemliches Unbehagen, aber ich stand auch das durch. Als es eine Woche später zur zweiten Schwimmstunde gehen sollte, war mein Ausweis weg – unauffindbar. Ich musste üble Verleumdungen über mich ergehen lassen, denn jeder aus der Familie wusste, dass ich wasserscheu war. Aber ich war unschuldig, denn viel später fand sich der Ausweis an einer Stelle wieder, zu der ich unmöglich Zugang gehabt haben konnte. Ich war halbwegs rehabilitiert, doch da war seine Gültigkeit schon lange abgelaufen und – ich konnte schwimmen, denn ich hatte es mir selbst beigebracht!

Und das kam so:

Knapp 1 km von uns entfernt verlief der innerstädtische Landwehr-kanal. Ein paar 100 Meter weiter zweigte ein Seitenkanal ab, der zur Spree führte. Damit der Schiffsverkehr ungehindert abfließen konnte, gab es an diesem Knotenpunkt eine relativ große Wasser-fläche. Das Wasser im städtischen Kanalsystem floss zwar nicht merklich und wurde durch etliche Schleusen zusätzlich behindert, aber bis zu dieser Zeit kurz nach dem Krieg war es noch relativ sauber, so dass es an dem besagten Wasserknoten sogar ein Schwimmbad gab. Es war mit Sicherheit schon so alt wie das Kanalsystem. Ich will das nicht beziffern, aber auf ganz alten Stadt-plänen ist es auch schon zu finden. Studentenbad hieß es offiziell, aber wir nannten es wie die Generationen vor uns einfach nur „Studte“.

Der Badebetrieb fand hinter einem Bretterverschlag statt, an dem innen ein Laufsteg für den Bademeister angebracht war. Die Wasserfläche in diesem Geviert war etwa 15 x 40 m groß. An der Seite des Frauenbeckens gab es Umkleidekabinen, die man von zwei Seiten betreten konnte. Über seitliche Stufen kam man direkt aus der Kabine ins Wasser.

Die Schwimmfläche war durch ein Seil, das an Korken auf der Wasseroberfläche schwamm geteilt. Der kleinere Teil war ursprüng-lich den Frauen vorbehalten, aber damals sah das niemand mehr als zwingend an. Tief war es dort auch nicht, mir reichte das Wasser nur etwa bis zur Brust. Ich konnte mich also mit einem Bein immer auf dem Grund abstützen und machte dann meine Schwimmübungen, wie ich sie in meiner einzigen Schwimmstunde im Hallenbad gelernt hatte. Nach drei-vier Besuchen im „Studte“ konnte ich tatsächlich schwimmen und hatte auch meine Wasserscheu überwunden. Mein Seelenfrieden war wieder hergestellt und ich war auch ohne Urkunde stolz auf mich.

Ende der 1940er Jahre wurde das Bad aus hygienischen Gründen geschlossen, weil das Wasser merklich unsauberer wurde.

erstellt am 02.09.2010

Über den Autor

Fritz Schukat

Jahrgang 1935
Prüfdienstleiter

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