Müllabfuhr

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Früher war alles irgendwie anders, auch die Müllabfuhr. Die Müllcontainer hießen einfach Müllkästen und sie waren auch nicht aus Plastik sondern aus Zinkblech, und sie waren auch größer. Es machte ihnen auch nichts aus, wenn mal heiße Asche hineingekippt wurde.

Ich erinnere mich, dass in den ersten Jahren nach dem Krieg in Berlin noch Pferdegespanne mit Spezialwagen herumfuhren, um die Müllkästen zu entleeren. Die Begleitmannschaft bestand nach meiner Erinnerung aus fünf Mann, und zwar aus zwei Männern, die mit stabilen Karren die Behälter aus den Höfen zum Fahrbahnrand brachten und weiteren zwei Männern, die mit vereinten Kräften die Kästen an den beiden Bügelgriffen, die an den Seiten auf halber Höhe angebracht waren, in eine Halterung einhakten. Wie der Inhalt der Behälter dann in den Bauch des Sammelfahrzeugs kam, weiß ich nicht mehr, vielleicht durch Gegengewichte oder eine Kurbel, auf jeden Fall landeten die leeren Blechkästen mit einem gewaltigen Knall wieder auf dem Pflaster, so dass der Deckel sich leicht anhob und geräuschvoll zuklappte. Es kamen auch nicht dieselben Kästen nach der Entleerung zurück, die Müllmänner hatten die bereits geleerten vom Nachbarhof auf ihren Karren und tauschten sie einfach gegen die vollen aus, sonst hätten sie ja zweimal auf die Höfe fahren müssen.

Durch die braune Asche des Hausbrands waren die meisten Müllkästen bereits typisch verfärbt, jedenfalls konnte man die eigentliche silberne Farbe des Zinkblechs in der Regel nicht mehr erkennen. Übrigens, etwas anderes als Asche kam auch kaum in die Müllkästen, denn es wurde fast alles verbrannt, auch normale Küchenabfälle, wie z.B. Kartoffelschalen. Damit soll es sogar eine besondere Bewandtnis gehabt haben, denn wenn man Kartof-felschalen verbrannte, soll das eine reinigende Wirkung auf die Schornsteine gehabt haben. Ob das die Mieter der Wohnungen in den typischen Berliner Mietskasernen wussten, wage ich allerdings zu bezweifeln.

Die bulligen Zugpferde der Müllfahrzeuge hatten meist hübsche Geschirre an und wurden bestimmt liebevoll gepflegt. An den Deichselspitzen hing auch manchmal ein Eimer mit Futter oder Wasser, so genau weiß ich das nicht mehr. Der Kutscher auf dem Bock blieb dort immer sitzen. Er hatte offenbar nur die Aufgabe, das Gespann ordentlich zu führen.

Überhaupt hat man Pferdegespanne in Berlin, in der Nachkriegszeit recht oft gesehen, nicht nur kleine Krauter, die sich nur ein Pferd leisten konnten, sondern vielfach waren es die Brauereien, die ihr Bier manchmal sogar mit einem Vierergespann ausliefern ließen.

Irgendwann Mitte der 1950er Jahre kam dann aber das Aus für die Pferdegespanne der Müllabfuhr. Die ersten Müllmänner fuhren dann motorisiert durch die Gegend und das typische Geräusch, das die Pferdehufe auf dem Straßenpflaster machten, verstummte für immer.

Fritz Schukat, Februar 2010

 

Recherche

Am Ende des Zweiten Weltkrieges war Berlin zu zwei Dritteln zerstört. Die Kanalisation funktionsunfähig und die Müllabfuhr zum Erliegen gekommen. Die sowjetische Militäradministration erließ den Befehl, dass die Bevölkerung nach besten Kräften “zur Müllbeseitigung und Sauberhaltung der Straßen und Häuser” (Curter 1996, S. 35) beitragen sollte. Noch im selben Jahr wurde die „Großberliner Straßenreinigung und Müllabfuhr“ gebildet. Außerdem beseitigten in der ganzen Stadt insbesondere Frauen, die sogenannten “Trümmerfrauen”, einen Großteil des Bauschutts.

Mit der politischen Teilung der Stadt 1948 trennten sich auch die Müllabfuhr und Straßenreinigung. In Ost-Berlin blieb es bei der “Großberliner Straßenreinigung und Müllabfuhr”, während in West-Berlin die “Berliner Stadtreinigung” (BSR) entstand. Um den Haus- und Straßenmüll zu beseitigen, ging man in den beiden Stadthälften unterschiedliche Wege. In West-Berlin setzte man auf Verbrennung und Deponierung, doch in Ost-Berlin wurde das SERO-System (Sekundärrohstoff) zur Wiederverwertung von Altpapier, Glas und Schrott geschaffen.

u.a. aus Wikipedia

Über den Autor

Fritz Schukat

Jahrgang 1935
Prüfdienstleiter

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