Milchzähne

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Mit den Zähnen ist das so eine Sache. Erst haben wir keine. Dann kommen sie raus und es tut entsetzlich weh, jedenfalls bis sie dann endlich draußen sind. Wir selbst haben zwar keine Erinnerung daran, aber die Eltern! Nach 6-8 Jahren bekommen wir unsere zweiten Zähne. Aber ehe die dann nachgewachsen sind, müssen ja die alten – also die Milchzähnchen – raus! Meistens tut das auch wieder weh. Wenn man älter wird, erinnert man sich kaum noch daran, s’ist ja auch schon so lange her.

Ich habe aber noch eine dunkle Erinnerung daran, überlagert natürlich von den irren Geschichten mit der Schnur um den Zahn oder ähnlich gruselige Extraktionsversuchen. Unsere Eltern schickten uns immer zu Oma – Oma konnte das. Sie wusste auch, ob der Wackelzahn schon „reif“ war oder ob wir noch einen Tag warten mussten. Sie redete und redete – und dann gab es einen Ruck, und schon war der Übeltäter draußen. Ein bisschen Blut, auch schon mal eine Träne, aber wenn Oma den Zahn dann hoch zeigte, waren wir glücklich!

Oma hatte – wenn ich mir das so überlege – bestimmt gaaanz viele Milchzähne gezogen! Sie hatte ja selbst 4 Kinder, und eine Generation später kamen dann 4 Enkel nach, die ganz in der Nähe wohnten. Und auch Nachbarkinder kamen zu ihr. Aufgehoben hat sie die Dinger nicht. Wo auch immer sie abgeblieben sind, weiß ich nicht. Die Zähnchen sind ganz sicher den Weg alles Irdischen gegangen – weg damit, ohne viel Gewese.

Gewese haben wir erst gemacht, als wir dann selber Kinder hatten. Meine Frau hat für unsere beiden Knaben kleine Töpfchen, in denen die herausgezogenen Milchzähnchen aufbewahrt werden. Der letzte ist sicher vor über 25 Jahren dort hinein gewandert. Übrigens, die Zähnchen wurden immer in ein Schnapsglas gelegt, in dem sich ein bisschen Wasser befand. Am anderen Morgen lag dann ein Markstück drin – für Carsten hatte sich der Zahn in einen Silberling verwandelt!

Neulich habe ich so ein Töpfchen wieder einmal in der Hand gehabt. Ein bisschen versonnen habe ich damit geklappert. Wie viele das waren, hab ich natürlich nicht gezählt, aber bestimmt keine 28 – die Weisheitszähne wachsen ja erst später und haben keine Vorläufer. Gut, wenn ich solch Töpfchen für meine zweiten Zähne haben würde, es wären bestimmt schon 29 Stück drinnen. Und jeder einzelne hat mich mit vielen Schmerzen verlassen.

Ich nähere mich langsam aber stetig – zumindest oral gesehen – dem Stadium, in dem ich während der ersten Monate meines Lebens war – zahnlos! 

Fritz Schukat, im Okt. 2010

 

Über den Autor

Fritz Schukat

Jahrgang 1935
Prüfdienstleiter

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