Mein Führerschein

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In dieser Geschichte unseres Autors, der bis zur Wende in der DDR lebte und erst später nach Quickborn zog, erfahren wir authentisch, wie dort Fahr-erlaubisberechtigungen ausgestellt wurden und welche Unterschiede zu dem westdeutschen System bestanden. Bleibt festzustellen und es gibt keinen Zweifel, in puncto Bürokratie gab es zwischen der DDR und der Bundesrepublik nicht den geringsten Unterschied!

Im Jahr 1967 begann ich meine zweijährige Lehre in der Sozia-listischen Landwirtschaft, welche mit der Übergabe des Fach-arbeiterzeugnisses in einer Spezialisierungsrichtung wie Pflanzen- und Tierproduktion endete. Für diese umfassende Tätigkeit war natürlich der Erwerb einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Trak-tors, mit für das spezielle Berufsbild weiterführenden Berechti-gungsscheinen z.B. Stallarbeitsmaschinen, Hubladern und ver-schiedenen Ackergeräten erforderlich.

Mancher von uns Lehrlingen hatte allerdings schon als Schüler die Möglichkeit, in der 8. bis 10. Klasse die Fahrerlaubnis für Moped (50 cm³) oder auch ab der 10. Klasse zum Führen der Klasse 1 (Motorrad) bis 125 cm³ genutzt und somit zumindest diesbezüglich auch praktische Grundfähigkeiten für das Bedienen von Kraftfahr-zeugen erlangt.

Voraussetzungen für den Erwerb jeder Klasse waren in der Lehre, neben den obligatorischen Gesundheitszeugnissen zur Über-prüfung der Grundvoraussetzungen für die Berufstauglichkeit, ein im Fahrerlaubnisantrag ausgewiesener Untersuchungsbefund. Auf diesem wurde generell die Tauglichkeit zum Führen eines Kfz mit und ohne Bedingungen, wie zeitliche und völlige Untauglichkeit bescheinigt. Bei vorhandenen Beeinträchtigungen hielt man dort weitere hinweisende Bemerkungen zum Tauglichkeitsstatus fest.

Das Führen der verschiedenartigen Kraftfahrzeuge, vom Moped bis zum Lkw verlangte dabei die Zuordnung von differenzierten Taug-lichkeitsgruppen zu den entsprechenden Fahrzeugklassen, was auch der heutigen Praxis entspricht.

So war die Mindesttauglichkeit C die Voraussetzung für die Klasse III Traktor/ Moped, B die Klasse IV Pkw, und A für Klasse V LKW – alle ohne besondere Tauglichkeitsstufe und Berechtigung für spezi-elle Kraftfahrzeuge

In der Folge wurde die theoretische Prüfung durch meinen unmittelbaren Fahrlehrer, die abschließende praktische Prüfung durch einen prüfungsberechtigten zweiten Fahrlehrer abgenommen und festgehalten. Neben der beantragten Fahrerlaubnisklasse 1 bis V war die obligatorisch vergebene Fahrerlaubnisnummer, hier: D 494 020 auf der VK 30 (Nachweiskarte über die Ablegung der theoretischen u. praktischen Prüfung), vermerkt. Parallel dazu erschien diese Nummer ebenfalls auf der unmittelbaren Fahrer-laubnis und einem zugehörigen Berechtigungsschein. Diese Eintragungen wurden durch die Abteilung Verkehr beim Volkspoli-zeikreisamt vorgenommen und dort registriert.

Mit der endlichen Aushändigung der eigentlichen Fahrerlaubnis er-folgte die Übergabe des schon erwähnten Berechtigungsscheines. Mit seinen fünf Stempelfeldern konnte damit die Verkehrspolizei, je nach Verstoß gegen die Straßenverkehrs- und Straßenverkehrs-zulassungsordnung, ähnlich wie das Flensburger Punktesystem, sofort am Ort des Vergehens die Möglichkeit einer Erziehungsmaß-nahme einleiten.

Ein bis zwei Stempel waren neben Geldstrafen eine übliche Maßnahme die Kfz-Führer für ihr ordnungswidriges Verhalten zu „belohnen“. Mit dem fünften Stempel erfolgte der Entzug der Fahr-erlaubnis mit der Rücknahme des Dokumentes und dem Bescheid über die Zurücknahme der Fahrerlaubnis mit entsprechender Begründung des VPKA (Volkspolizeikreisamt). Die Möglichkeit der Wiedererteilung wurde dabei mit einer kurzen Begründung nicht ausgeschlossen.

So wurde ein polizeiliches Führungszeugnis bei erheblichen Verstößen und nachweislich bestehender rechtskräftiger, gericht-licher Maßnahmen dem Arbeitgeber vorgelegt, der seinerseits positiven Einfluss auf die weitere Entwicklung der Persönlichkeit nehmen sollte.

In meinem Fall beantragte ich, nach der Wende und vergangenen 29 Jahren freiwilliger Rückgabe der Fahrerlaubnis, diese erneut. Nachdem selbige in den Archiven der zuständigen Behörde schon lange verschwunden war, ergab der Zufall, dass sie das Tageslicht wieder sah. Auf dem Postweg erhielt ich einige Zeit später einen schriftlichen Bescheid, der mich in dieser Angelegenheit an das Verkehrsamt verwies.

Da ich trotz eines ungeklärten Verkehrsunfalles ohne fremde Beteiligung vorsorglich diese Fahrerlaubnis von der Polizei zurücknehmen lies, verlangte die jetzige Führerscheinstelle eine Bescheinigung über meine gesundheitliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ein polizeiliches Führungszeugnis, die Absolvierung einer theoretischen und praktischen Prüfung mit inklusiven Tag- und Nachtfahrten. Das alles lehnte ich ab. Daraufhin wurde meine Akte mit dem Vermerk ‘Fahrerlaubnis- Rückgabe’ endgültig geschlossen.

Zuvor ließ ich mir, wie schon erwähnt, das betreffende Dokument aushändigen. Um sicher zu gehen, dass ich meine altgeliebte Fahr-erlaubnis nicht mehr verwenden konnte, wurde vom Amt jede Seite mit dem Wort “Ungültig” abgestempelt und zur Sicherheit nochmals die untere, rechte Ecke abgeschnitten.

Damit hatten die Bürokraten aus ihrer Sicht wieder einmal einen Verwaltungsakt erfolgreich abgeschlossen. Ihre innere Zufriedenheit war voll und ganz wieder hergestellt.

erstellt im Oktober 2011

Über den Autor

Klaus Trautmann

Jahrgang 1951
Landwirt u. Berufsschullehrer

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