Hafersuppe, Schokolade und Erdnüsse

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Bei solch einer Überschrift wird jeder denken, wie passt dieses zusammen? Es passt, denn hier geht es um die Schulspeisung in den Hungerjahren nach dem Krieg.

Es war zwischen 1945-46, in den Schulen gab es eine Schulspeisung. Die Kinder waren nach dem Krieg oft unterernährt und so wurde in vielen Ländern für deutsche Kinder Lebensmittel gesammelt. In den noch vorhandenen Großküchen wurden hiervon Suppen für uns Kinder gekocht. Wir mussten ein Behältnis und einen Löffel mit in die Schule bringen, woraus wir dann unsere Suppe löffeln konnten. In meiner Schule in Sarstedt gab es sehr oft Hafersuppe. Gegessen haben wir sie alle – ob sie uns allen geschmeckt hat, war eine andere Sache.

Mein Behältnis war ein altes Kochgeschirr aus dem Krieg ebenso wie mein Löffel. Es gab auch Kinder, die hatten nur eine einfache Konservendose mit. Es war uns doch allen egal, worein die Suppe kam, Hauptsache es gab welche. Manchmal gab es auch Grießsuppe, die mochte ich lieber, die Hafersuppe hieß bei uns immer „Spucksuppe“, weil die Spelzen vom Hafer noch darin waren und wir sie immer ausgespuckt haben.

Wunderbare Tage waren für uns immer, wenn es mal Kekse, Schokolade oder Erdnüsse gab. Nun war es aber nicht so, dass jedes Kind eine Tafel Schokolade oder eine Packung Kekse bekam. Nein, wenn es pro Klasse 8 oder 10 Stück einer Sorte gab, so wurde durch die Anzahl der Schüler geteilt und diese teilten sich dann wiederum dieses eine Teil. Bei uns wurde immer auf der Fensterbank geteilt. Nun standen überall kleine Gruppen, um z.B. einen Riegel Schokolade zu bekommen. Die Schokolade war ein dicker etwa 5-6 cm breiter und 15 cm langer Riegel, ähnlich der heutigen Blockschokolade. Ein Kind wurde nun bestimmt, die Schokolade zu teilen. Es ging immer gerecht zu, denn sollte hier etwas abgebrochen sein, gab es ein Krümelchen,  das dem dann zugeordnet wurde. Es schmeckte köstlich. Heute gelingt es mir nicht mehr, so lange an einem Stück Schokolade zu lutschen wie damals. Kekse konnte man leichter teilen. Wenn es einmal Erdnüsse gab, gingen wir wieder zu der Fensterbank. Die Dose wurde ausgeschüttet und dann – wie schon beschrieben – durch die Anzahl der Kinder geteilt. Wir passten alle auf und wenn es halbe Nüsse gab, mussten demjenigen davon zwei zugeordnet werden. Ich kann mich nicht erinnern, dass es mal Streit gab.

Gut erinnere ich mich noch an etwas, wofür ich mich noch lange geschämt habe. Es gab mal wieder Erdnüsse und da dieses etwas war, was ich vorher nicht gekannt hatte, glaubte ich, meine Mutter kennt es auch nicht und wollte ihr nun auch einmal Erdnüsse zu essen geben.

Auf dem Nachhauseweg lagen zwei dieser Köstlichkeiten gut verwahrt in meinem Taschentuch in meiner Hand. Meine Gedanken auf dem Heimweg waren immer bei den beiden Nüssen. Sie haben Mutti leider nicht kennengelernt. Ich habe sie gegessen.

Obwohl meine Mutter gar nichts von den Nüssen wusste, hatte ich ein schlechtes Gewissen. Ich habe es ihr bis zu ihrem Tod nicht gesagt, wo ich doch genau wusste, sie hätte nur gelacht.  

Über den Autor

Annemarie Lemster

Jahrgang 1938
Verkäuferin

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