Gehen wir mal zu Hagenbeck

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Ein Aquarium muss gehegt und gepflegt werden. Dazu zählen regelmäßiger Wasserwechsel, Temperaturregelung, Bodenrei-nigung, Pflanzenpflege und Algenvernichtung. Ich zähle mich zu den Aquarium-Liebhabern, der sich die notwendigen Kennt-nisse im Laufe vieler Jahre angeeignet hat. Mein Wissen über Fische schätze ich aber nur als mittelmäßig ein. Das reicht völlig, um Fische am Leben zu halten. Sie vermehren sich auch bei mir, ohne dass ich ihnen das groß beibringen muss. Hierzu muss das Wasser nur sauber und sauerstoffreich sein. Für die Reinigung benötigt man einen Filter und den Sauerstoff liefern Pflanzen.

Selbstverständlich müssen die Fische gefüttert werden. Als Jugendlicher habe ich Wasserflöhe aus einem Teich mit einem feinmaschigen Netz gefangen und sie meinen Fischen als Lebendfutter vorgesetzt.  Ich hielt die Fische damals in einem großen Einmachglas ohne Filtertechnik. Das Einmachglas stand auf dem Fensterbrett. Licht gab es durch die natürliche Sonneneinstrahlung. Die mangelhafte Technik führte dazu, dass damals meine Freunde im Einmachglas nur ein sehr kurzes Leben hatten.

Viele Jahre später gönnte ich mir ein richtiges Aquarium mit der notwendigen Technik. Das Licht lieferten Leuchtstoffröhren, die den Pflanzenwuchs förderten und den Fischen tropische Tages- und Nachtzeiten vorgaukelten. Gefüttert wurde mit Trockenfutter, gelegentlich gab es auch Wasserflöhe, die ich in einem Fachgeschäft kaufte und im Eisfach einfror. Die tägliche Portion bestand aus einem Eiswürfel, den ich morgens in das Wasser gab. Das warme Wasser löste den Würfel schnell auf und die nicht mehr lebenden Wasserflöhe verteilten sich im Wasser. Die Aquariumbesatzung machte sich sofort über den so gedeckten Frühstückstisch her.

Wenn ich meinen Fischen mal was Gutes gönnen wollte, erhielten sie lebendes Tubifex. Tubifex sind kleine Würmer, eine Kraftnahrung für Fische. Es gibt zwischenzeitlich sehr gutes Trockenfutter, das von den Aquarium-Bewohnern gerne angenommen wird. Dennoch sollte man auch heute für Abwechslung bei der Fütterung sorgen. Immer nur das gleiche ist doch langweilig. Fische empfinden bei der Nahrungs-aufnahme wie wir Menschen.

Ein Aquarium stellt eine künstliche Biosphäre dar. Da kann natürlich auch mal etwas schief gehen. Der Druck des Wassers auf die Aquariumscheiben ist enorm. Schlimm wird es immer dann, wenn die Scheiben dem Druck nicht Stand halten. Das Wasser rauscht aus dem Behälter und verteilt sich auf dem Fußboden. Alles ist nur noch nass. Man muss dann schnell handeln und greift nach jedem beliebigen Auffangbehältnis. Das können Eimer, Töpfe oder Suppenschalen sein. Schließlich gilt es, die Wasserbewohner zu retten und sie ihrer gewohnten Umgebung möglichst schnell wieder zuzuführen. Das habe ich alles schon erlebt und überstanden.

Ich bevorzuge pflegeleichte Fische. Dazu gehören Guppys, Schwertträger, Segelflosser, Black Mollys, Prachtschmerlen, Mosaikfadenfische, Neonfische, Beilbauchfische und Welse. Es gibt noch viele mehr, die ich auch schon hatte. Die Fische müssen zu einander passen, wenn man sie in einem großen Gesellschaftsaquarium hält. Sie müssen sich vertragen und nicht gegenseitig bekämpfen. Am liebsten mag ich die Welse. Für mich sind sie die Miniaturausgabe der Delphine. Es gibt über 40 unterschiedliche Arten. Sie sind olivbraun oder grau-braun und dunkel gefleckt, das Auge ist klein, die Rückenflosse hoch. Mit ihren Barteln wühlen sie gerne auf der Suche nach Essbarem den Boden auf. Ich habe sie als friedliche, schwimm-lustige Fische kennen gelernt. Einer ist mir sogar schon einmal im Übereifer aus dem Aquarium auf eine heiße Herdplatte gesprungen. Ich fing ihn sofort wieder ein und tauchte ihn wieder ins Wasser. Er schien mir dankbar zu sein und ich nannte ihn fortan nach meinem sportlichen Freund Horst. Horst lebte zu meiner Freude noch einige Jahre. Immer, wenn er mich sah, kam er angeschwommen und blickte mich freundlich an. Er ließ sich sogar von mir streicheln und schien das zu genießen. Ich war sehr traurig, als er starb. Man schenkte mir dann einen dunkel gefleckten, kleinen, niedlichen Wels. Er war 3 cm groß und sollte noch größer werden, wie man mir sagte. Dass er aber so groß wurde, konnte ich nicht wissen. Später stellte sich heraus, dass es ein Harnischwels war, der bis zu 30 cm lang werden kann. Es schien fast so, als würde er das Leben im Aquarium genießen, und er wuchs still vor sich hin. Er war sehr friedlich. Bei der Aquariumreinigung musste ich ihn mit der Hand in die nächste Ecke schieben. Er schien an allem interessiert zu sein, was vor seiner Scheibe passierte. Jeden-falls lag er dort immer und registrierte jede Bewegung. Als er 20 cm groß war, musste etwas geschehen. Ich alarmierte meine Zoohändlerin und schilderte ihr mein Problem. Sie wusste Rat und kam mit einem großen Eimer. Wir füllten den Eimer mit Aquariumwasser und sie fasste den Wels an seiner Rücken-flosse. Dabei muss man wissen, dass die Rückenflosse durch einen Dorn gestützt wird. Vorsicht war also angesagt. Es gelang ihr, den Wels in den Eimer zu heben. Für den großen Fisch war der Eimer viel zu klein. Im Eimer konnte er nur mit dem Kopf voraus abgelegt werden, der Schwanz befand sich außerhalb. Mein Wels ließ alles geduldig mit sich geschehen. Den Transport bestand er ebenfalls problemlos.

Was hat diese Geschichte nun mit Hagenbeck zu tun? Im Zoogeschäft konnte der Wels auch nicht bleiben, denn er wuchs weiter seinen 30 cm entgegen. Man gab ihn zu Hagenbeck. Dort gibt es genügend große Becken und immer viel zu sehen, was vor der Scheibe alles passiert. Vielleicht sollte ich ihn mal besuchen. Ob er mich wohl wieder erkennt?

 

 

Über den Autor

Uwe Neveling

Jahrgang 1937
Systemanalytiker

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