Für Wasser musste man früh aufstehen

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Es muss 1948-49 gewesen sein, genau weiß ich es nicht mehr. Wir wohnten nach dem Krieg immer noch in einem Behelfsheim (Baracke) am Ende einer Straße. Durch einen Umstand der mir heute nicht mehr bekannt ist, gab es am Ende der Straße kein Wasser mehr. Wir wurden aus einem Tankwagen mit Wasser beliefert. Dieser Tankwagen sah aus wie ein Güllewagen und wurde von einem Trecker gezogen. Nun brauchten aber viele Menschen Wasser und dieses wurde zugeteilt. Das Schema dieser Zuteilung muss aber nicht besonders gut gewesen sein, denn wenn man später kam, war das gute Nass alle und man ging leer aus.

Not macht, wie man weiß, erfinderisch.

Der Wasserwagen kam so gegen 8:00 Uhr. Um ja nicht der Letzte zu sein, wurden in der Früh Eimer, Dosen, Milchkannen und andere Behältnisse auf die Straße gestellt. Wannen waren nicht erlaubt. Es sah, für mich als Kind immer lustig aus, wie da so die Eimer und Dosen in Reih und Glied auf der Straße standen. Die Erwachsenen fanden es nicht so lustig, denn es musste immer Wache gehalten werden, damit nicht jemand kam und einen abgestellten Eimer von vorn nach hinten schob. Mein Vater nahm, wenn er um sechs Uhr zur Arbeit ging, die Behältnisse mit an die Straße und reihte sie in die schon bestehende Kette ein. Irgendjemand stand dann auch immer schon dort und hielt Wache. Wenn Mutti uns alle mit Frühstück versorgt hatte, bezog auch sie draußen ihren Posten.

Wenn der Trecker zu hören war, gab es immer ein großes Gedränge. Stand der Wagen, hatte der arme Mensch (der Fahrer) zu tun, um an den Ablasshebel zu kommen. Durch dieses Gedränge war so mancher Eimer zu Haus nicht mehr so voll wie am Anfang.

Wir Kinder standen alle etwas abseits und beobachteten, wer sich am besten vorgedrängelt hatte. Manchmal kam es auch zu heftigen Streitereien, das fanden wir Kinder immer besonders toll. Leider konnten wir nicht immer zusehen, es ging nur, wenn wir erst ab 11:00 Uhr Schule hatten.

Am Nachmittag um 16:00 Uhr kam dann noch einmal der Wasserwagen, dann standen die ersten Eimer schon ab 14:00 Uhr auf der Straße. Autos gab es noch nicht viel auf den Straßen und wollte der Bauer auf sein Feld, fuhr er um die Eimer rum.

Das Wasser reichte ja nur zum Trinken und Essen kochen. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob wir uns in der Zeit gewaschen haben, ich denke wohl schon, denn das wäre mir sicher in Erinnerung geblieben. Ob und wie Wäsche gewaschen wurde in dieser Zeit, ist mir auch nicht mehr bekannt. So etwas hat doch kein Kind interessiert.

Nach etwa vier Wochen gab es wieder Wasser aus dem Hahn und wir Kinder waren um eine Attraktion ärmer.    

Über den Autor

Annemarie Lemster

Jahrgang 1938
Verkäuferin

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