Fotografieren – damals

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Wenn man heute einen Fotoapparat in die Hand nimmt, dann stimmt von diesem Wort eigentlich nur noch die Hälfte, denn diese kleinen technischen Wunderwerke brauchen keinen Film mehr, sie arbeiten mit einem Chip, auf dem die Bilder gespeichert werden. Man drückt zwar wie früher auf den Auslöser, aber dann stellt sich die Kamera automatisch auf richtige Belichtung und Entfernung ein und blitzt auch, wenn es sein muss. Und man kann sich das Ergebnis sofort auf einem kleinen Monitor ansehen. Das hat mit dem, was man früher unter Fotografieren verstand, nichts mehr zu tun, wenn man mal davon absieht, dass am Ende auch nur ein 10×13 cm großes Bild herauskommt, das man dann Tante Lisbeth schenken kann, weil die sich nach wie vor über ein Bild ihres Patenkindes freut, das sie in die Hand nehmen kann.

Dabei waren die Fotografen früher für mich Menschen, die quasi über Geheimwissen verfügten. So jedenfalls habe ich “unseren” Fotografen in Erinnerung. Er trug einen weißen Kittel und hatte ein eigenes Atelier, d.h. einen Raum, in dem auf einem stabilen dreibeinigen Stativ sein eigentliches Werkzeug stand, der Fotoapparat. An der Frontseite dieses für mich damals noch geheimnisvollen Holzkastens befand sich die Linse, an der eine lange Strippe im kunstvollen Bogen herabhing. Die nahm er dann in die Hand, steckte seinen Kopf unter ein schwarzes Tuch hinter dem Apparat und erzählte etwas von einem Piepmatz, der gleich aus dem Kasten käme. Und dann war auch alles schon vorbei –       “… es hat überhaupt nicht wehgetan!”

Das Atelier durfte man natürlich nur nach Aufforderung betreten, wenn man angemeldet war. Dort gab es allerlei Kulissen und ein paar dekorative Rokokostühlchen, irgendwo stand ein schmucker Säulenstumpf mit grauen durchsichtigen Schleiern drapiert und dann standen da auf hohen Stativen große Lampen, die  während des eigentlichen Knipsens für ein paar Minuten gleißendes Licht verbreiteten.

Zum Fotografen gingen wir, als wir eingesegnet wurden, denn das gehörte sich so. Er knipste auch schon vor dem Krieg die Eltern, Onkels und Tanten, als sie heirateten, er knipste auch meine Großeltern, als sie Goldene Hochzeit feierten – kurzum, er war eine Institution. Sein Geschäft mit dem Atelier war in der Neuköllner Sonnenallee, die lange vor dem Krieg noch Kaiser-Friedrich-Straße hieß, ehe sie dann in Braunauer Straße umgetauft wurde.

Erst nach dem Krieg bekam dieser Straßenzug dann durchgehend vom Hermannplatz bis zu der Grenze am Baumschulenweg zum seinen heutigen Namen. Hinter der großen Schaufensterscheibe, lagen immer einige Bilder seiner Fotografierkunst, wahrscheinlich Stücke, die er selber als gelungen ansah. Ich stand oft davor und sah mir die Bilder an und dann freute mich, wenn ich auch noch die Namen der Leute wusste. Von den Bildern wurden immer ein halbes Dutzend angefertigt, damit auch die Tanten, Onkels und Omas eines bekommen konnten und wenn man noch eines nachbestellen wollte, konnte man das mit der Nummer, die hinten auf dem Bild stand.

Wie lange das Geschäft noch bestand, weiß ich nicht, jedenfalls gab es das Atelier noch 1960, als ich von Neukölln fortzog.

Selber fotografieren?

Fotografieren hat mich auch während der Schulzeit schon stark interessiert. Aber mit der alten Plattenkamera, die ich irgendwo abstaubte, war kein Staat mehr zu machen. Deren Zeit war damals auch schon abgelaufen. 

Irgendwann brachte mein Vater mir einen “Fotoapparat” mit, den er von einem amerikanischen Freund geschenkt bekam. Das Ding sah wohl aus, wie eine Kamera, war aber aus Plastik mit einer ganz kleinen Linse und einer Klackautomatik. Der Sucher war ein kleines Guckloch, in dem ein durchsichtiges Stück Plexiglas steckte. Eigentlich war das Ganze ein Spielzeug, aber es reizte mich auszuprobieren, ob man damit wirklich fotografieren könnte. Ich kaufte mir also einen 12er Kleinbildfilm 24×36 und legte die Patrone ein. Erstaunlicherweise konnte ich damit 24 Bilder abknipsen. Ich war also gespannt, was da nun rauskam. Eine Woche später hielt ich das Ergebnis in der Hand. Ich hatte in der Schule geknipst und am Wochenende u.a. auch meine Schwestern, als wir zusammen einen Dampferausflug machten. Die 24 Bildchen, die ich mir vom Fotofritzen abholte, waren zwar sehr klein, aber es waren meine ersten und sie machten mich irgendwie stolz, nur wenn man etwas erkennen wollte, musste man schon eine Lupe nehmen.

Inzwischen experimentierten wir in der Schule mit Fotopapier, Entwickler und Fixierbad und wir lernten, von den recht großen 6×9-Negativen Kontaktabzüge zu machen.

Ich wusste natürlich auch, dass man von kleinen Negativen größere Bilder herstellen konnte, aber dazu brauchte man einen Vergrößerungsapparat. Die Dinger waren aber viel zu teuer. So kamen wir auf die Idee, uns selber ein solches Gerät zu bauen.

Wir besorgten uns Steinpappe, kleine Holzleisten und eine Scheibe Opalglas. Das Objektiv war eine Linsenkombination von einem Zielfernrohr, das ich kurz nach dem Kriegsende irgendwo in den Trümmern gefunden hatte. Mit viel Geschick stand dann eines Tages nach etlichen Fehlversuchen ein Monstrum auf dem Tisch, das im Prinzip wie ein richtiger Vergrößerungsapparat funktionierte, nur wackeln durfte man an der Unterlage nicht und während des Belichtens musste man den Atem anhalten.

Irgendwo her bekamen wir dann auch noch Fotopapier, Entwickler und Fixierbad und die entsprechenden Schüsseln. Die Dunkelkammer war unser Badezimmer, das wir mit einer 25er Birne beleuchteten, die mit roter Tusche angemalt war. Nachdem die ersten Vergrößerungen tatsächlich gelangen, verschmorte uns in der verdunkelten Stube der Pappkasten, in dem eine 100-Watt-Lampe brannte und wir konnten vom Glück sprechen, dass wir keinen weiteren Schaden damit anrichteten. Weitere Versuche durften wir dann allerdings nicht mehr anstellen.

Ein vergrößertes Bild meiner Klassenkameraden, das ich später sogar noch kolorierte und etliche dieser Minibilder, die ich mit dem Plastikfotoapparat machte, besitze ich noch heute.

Über den Autor

Fritz Schukat

Jahrgang 1935
Prüfdienstleiter

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