Die Sammeltasse

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Es muss 1950 gewesen sein, ich feierte meinen 12. Geburtstag. Zum Kaffee wollte meine Tante Lene kommen. Es wurde Nachmittag und ich freute mich schon auf ihren Besuch. Tante Lene brachte mir immer etwas Gutes mit.

Da war sie nun endlich und wie ich vermutete, hatte sie ein Paket in der Hand. Dann kam das Übliche, was ich gar nicht so gern hatte. „Ach da bist Du ja! Wie groß Du schon wieder geworden bist!“ Dabei strich sie mir dann immer durch mein Haar. „Dein Haar ist aber immer noch so dünn, ach das wird schon. Kannst Du denn auch einen Knicks“? „Den hab ich doch schon gemacht.“ „Ach ja! Hier, ich habe Dir etwas mitgebracht. Es ist etwas für Dein späteres Leben. Du bist jetzt so alt, da muss man schon vorsorgen.“

Ich hatte mich so auf ein Geschenk von Tante Lene gefreut, aber nun war ich doch etwas verunsichert. Mit gemischten Gefühlen packte ich das Geschenk aus. „Och, eine Tasse“. Nun wurde mir erklärt, das sei keine gewöhnliche Tasse. „Das ist eine Sammeltasse, etwas sehr Schönes und auch Wertvolles“.

Wir waren ausgebombt und hatten alles verloren. Aus diesem Grund gab es in unserem Haushalt so eine Tasse nicht. Ich dachte nur, „…so ein doofes Geburtstagsgeschenk“.

Mutti besorgte einen Karton, in den die Tasse gut verpackt hineingelegt wurde. Es sollten in den kommenden Jahren noch mehr Tassen in den Karton kommen. Als ich heiratete, habe ich mit Dankbarkeit den Karton ausgepackt und war stolz auf meine kleine Sammlung.

Heute stehen bei einer Einladung zum Kaffee nur noch ganz selten Sammeltassen auf dem Kaffeetisch. Schade! Ich mag sie heute noch gern ansehen.

erstellt am 06.03.2009

Über den Autor

Annemarie Lemster

Jahrgang 1938
Verkäuferin

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