Der Bahndamm (Jugendstreiche)

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Mein täglicher Schulweg führte etwa drei Kilometer an einem recht hohen Bahndamm der Strecke Hamburg-Cuxhaven entlang. Das im Sommer dürre, lange Gras fing gelegentlich Feuer durch Funkenflug oder aber es wurde von uns Jungen mutwillig angezündet. Das Püstern auf den großen Dammflächen, bei taktischer Beachtung der Windrichtung, brachte einfach Spaß, ohne dass ich mich für einen Pyromanen halten möchte. Einmal entflammte der heftige Brand hohen Grases sogar die Bahnschwellen, die in einem Kreis um ein Vorsignal in den Boden eingesenkt waren.

Als der Krieg zu Ende ging, stellte die Deutsche Reichsbahn auf einem der beiden Gleise kilometerweit einen großen Teil ihres nationalen Fuhrparks ab, vornehmlich Güterwaggons, sowohl Viehwagen als auch Langwagen, von denen einige mit Geschützen bestückt waren.

„Alle Räder müssen rollen für den Sieg”, hatte lange auf allen Lokomotivkesseln gestanden, doch jetzt ruhte der Verkehr. Dass die Bewegung so ganz fehlte, ließ uns Lümmel einen neuen Streich aushecken. Wir stiegen auf die Außenplattformen der Langwagen und lösten die Bremsen. Die Zugeinheiten standen jeweils über hundert Meter auseinander, auf einer Strecke, die zum Stader Bahnhof hin ganz leicht abschüssig verlief, so dass die Wagen, der Schwerkraft folgend, sich in Bewegung setzten. Den Versuch, sie vor dem Aufprall wieder abzubremsen, unternahmen wir nicht. Vielmehr genossen wir den großen Rumps beim Auftreffen auf die Puffer der etwas weiter abwärts stehenden Wageneinheit.

So schufen wir Platz für neue Züge, doch die kamen nicht.

Über den Autor

Jürgen Hühnke

Jahrgang 1935
Gymnasiallehrer

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